Im Alltag
Jede Person kann aktiv werden
Rechtsextremismus verunsichert. Oft weiss man nicht, ob und vor allem wie man reagieren soll. Vielleicht hat man Angst, selber in Schwierigkeiten zu geraten, oder man will nicht als "übersensibel" gelten. Wichtig ist, dass man nicht wegschaut, sondern handelt.
Rechtsextremismus verunsichert
Rechtsextremismus vertritt in seiner Ideologie menschenfeindliche und antidemokratische Werte und ist ein Angriff auf die Menschenwürde. Die Verteidigung der Grund- und Menschenrechte erfordert eine starke Zivilgesellschaft und fordert das Engagement von Einzelpersonen.
Die Einordnung rechtsextremistischer Vorkommnisse ist häufig umstritten, auch weil in den letzten Jahrzehnten ‘rechtspopulistische‘ Parteien stärker wurden und weil sich ausgrenzende Diskurse in der Gesellschaft festgesetzt haben. Die auf den historischen Nationalsozialismus bezogenen Formen bestehen zwar weiter, treten jedoch im Vergleich zu den Vorstellungen der Neuen Rechten in den Hintergrund.
Vorfälle im Alltag – soll ich reagieren?
- Eine Gruppe rechtsextremer Jugendlicher trifft sich regelmässig am Bahnhof.
- Der Nachbar hört offensichtlich Musik mit rechtsextremem Gedankengut und schmückt sein Wohnzimmer mit Bildern aus der Nazizeit.
- Die Tochter einer Bekannten hält sich in rechtsextremen Kreisen auf.
Beratung und Intervention
Das Angebot von Fachstellen ist vielfältig. Sie beraten und zeigen Handlungsmöglichkeiten auf. Sie vermitteln Fachwissen und die zuständigen Institutionen. Sie unterstützen bei Kriseninterventionen, sie vermitteln zwischen Konfliktparteien oder bei Konfrontationen zwischen verfeindeten Gruppen.
Fachstellen können Wirt*innen und Lokalvermieter*innen beraten, wie sie bei der Reservation von Veranstaltungsräumen umgehen können.
Fachstellen können Schulleiter*innen und Lehrer*innen beraten, wie sie Anzeichen deuten können und welche Interventionsmöglichkeiten bestehen. Bei Gewalttaten ist dabei der Einbezug der Polizei anzustreben, andererseits sind Betroffene wie Zeug*innen zu stützen, falls diese ihre Beobachtungen vor den Behörden bezeugen wollen und dabei ihre Angst vor Racheaktionen überwinden müssen.
Beobachten und melden
Bei Problemen mit Rechtsextremismus ist jedes Individuum eines Gemeinwesens gefordert, Verantwortung wahr zu nehmen – sei dies als Vertretende einer Institution oder als Teil der Bevölkerung.
Institutionen wie die aufsuchende Jugendarbeit, Vereine oder die Fanarbeit im Sport sind nahe der verschiedenen Szenen einer Gemeinde und/oder einer Region. Sie können Brennpunkte frühzeitig erkennen und Unterstützung bei Fachleuten oder Behörden anfordern.
Tauchen in einem Quartier / einer Gemeinde oder in einer Schule rechtsextremistische Zeichen auf oder gibt es Hinweise auf rechtsextreme Treffen in einer Gemeinde oder Region, sollten die Verantwortlichen diese Anzeichen sichtbar machen und benennen.
Öffentlichkeit herstellen
Wenn an einem Ort oder einer Region Rechtsextremist*innen aktiv werden, ist es wichtig die Erscheinungsformen und die involvierten Personen zu benennen, damit sie aus der Anonymität geholt werden können. Eine gemeinsame Haltung, mitgetragen von einer breiten Öffentlichkeit, signalisiert, dass die Gesellschaft für Menschenrechte und die Menschenwürde einsteht und menschenverachtende Ideologien wie auch Gewalt ablehnt.
Alle können Zeichen setzen gegen Rechtsextremismus, sei mit öffentlichen Aktionen oder in Leserbriefen wie auch im direkten Gespräch in der Familie, in der Schule oder am Arbeitsplatz. Jede Stellungnahme erhöht den sozialen Druck auf Rechtsextremist*innen. Das Wegfallen öffentlicher Anerkennung und die Konsequenzen von Ausgrenzung oder Verurteilung kann Mitglieder, vor allem auch Mitläufer*innen, zur Distanzierung von der Gruppe bewegen.
Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass Rechtsextremist*innen die hergestellte Öffentlichkeit für ihre Zwecke als Plattform nutzen. Dieses Risiko sollte allen Beteiligten bei ihren Entscheidungen bewusst sein.
Vernetzung
Um zivilgesellschaftliche Kräfte zu mobilisieren und die Vernetzung von engagierten Privatpersonen zu fördern, kann die Bildung von Arbeitsgruppen sinnvoll sein. Solche Initiativen können mit öffentlichen Aktionen und Aktivitäten die gemeinsame humanistische und demokratische Haltung in die Öffentlichkeit tragen und damit zu einer Enttabuisierung der Problems „Rechtsextremismus“ beitragen. Die Zusammenarbeit mit der Gemeinde empfiehlt sich in jedem Fall.
Rechtsextremismus ist selten ein Kernthema von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen. Eine besondere Bedeutung haben daher antirassistischen Bewegungen. In der Schweiz bestehen viele unterschiedliche Gruppen, die sich für die Stärkung von Minderheiten und für die Unterstützung von Opfern von Diskriminierung oder Gewalt einsetzen.
Familienunterstützung
Einige Fachstellen beraten, wenn Rechtsextremismus in einer Familie zum Thema wird. Sie besuchen die Familien zu Hause oder unterstützen sie in sogenannten Familienkonferenzen. Die Anwesenheit einer externen Vermittlungsperson kann das Ansprechen des Streitpunkts Rechtsextremismus – wie auch von weiteren Konflikten – erleichtern. Die Gespräche haben das Ziel, eine erste Klärung der Situation zu erreichen. Sie ergänzen weiterführende Interventionen und sind oftmals der erste Schritt hin zu einer Weitervermittlung an Fachleute aus dem therapeutischen Bereich.
Je früher Eltern Anzeichen einer Hinwendung eines Kindes zu Rechtsextremismus erkennen und daher Beratungsangebote aufsuchen, desto höher sind die Erfolgschancen einer Intervention, sofern sich die radikalen Ansichten dann noch nicht verfestigt haben.
Im Rahmen einer solchen Beratung ist es wichtig gemeinsam anzuschauen, welche Ressourcen und Bedürfnisse der junge Mensch mitbringt und womit ihn das rechtsextremistische Angebot abholt, sei dies Kameradschaft und Zugehörigkeit, Männlichkeitsdenken und Selbstüberhöhung, sei dies Provokation und Distanzierung von seinem bisherigen sozialen Umfeld.
Vereinsarbeit
Rechtsextremistisch eingestellte Jugendliche sind häufig in Vereinen aktiv, beispielsweise in Schützen- oder Sportvereinen oder auch in freiwilligen Feuerwehren. Da den Jugendlichen meistens an der Vereinszugehörigkeit und den Aktivitäten viel gelegen ist, ergeben sich daraus wirkungsvolle Interventionsmöglichkeiten.
Auch die Kirchen können Rechtsextremismus entgegenwirken, wenn sie sich für zugewanderte und geflüchtete Menschen wie auch für sogenannt randständige Personen einsetzen und über den interreligiösen Dialog Antisemitismus entgegenwirken. Empathie, Perspektivenverlagerung, Solidarität sowie Respekt gegenüber Andersgläubigen und -denkenden können so menschenfeindlichen und gewaltverherrlichenden Ideologien entgegenwirken.
Ausstiegshilfe
Einzelne bieten Beratung für ausstiegswillige Rechtsextremist*innen an. Sie unterscheiden meist, ob diese in ihrer Ideologie bereits gefestigt oder noch nicht fest in der Szene verankert sind. Entsprechend werden unterschiedliche Massnahmen angeboten. Der Sicherheit von Ausstiegswilligen ist grosse Beachtung zu schenken, da mit Drohungen aus dem früheren Umfeld zu rechnen ist.
Literatur
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