Rechte Szene

Über die rechtsextreme Szene im Bild sein

Die rechtsextreme Szene ist vielfältig und wandelt sich stetig. Rechtsextremist*innen bewegen sich in verschiedenen Musik- und Kleidungsstilen. Ausserdem arbeiten sie oft mit Codes, Zahlenkombinationen und Symbolen, um ihre Ideologie nur für Eingeweihte kund zu tun. Dies einerseits, um einer möglichen Strafverfolgung zu entgehen und andererseits, um nicht von allen als Rechtsextreme erkannt zu werden. Das ist nicht aussergewöhnlich: In Subkulturen dienen Symbole und Codes dazu, eine „eigene Sprache“ zu schaffen, die nur von Angehörigen dieser Subkulturen verstanden werden kann. Der Gebrauch solcher Zeichen passt sich den Umständen an, auch deshalb, weil in verschiedenen Ländern immer wieder einzelne Symbole verboten werden.

Die Rubrik Erscheinungsbild dokumentiert Codes, Zahlenkombinationen und Symbole, Kleider- und Musikpräferenzen von Mitgliedern der rechtsextremen Szene. Sie skizziert Strukturen und Subkulturen, in denen sich Rechtsextremist*innen zusammenfinden.

Die Rubrik Vorfälle liefert einen Überblick über verschiedene Homepages, die rechtsextremen Vorfälle in der Schweiz dokumentieren.

Erscheinungsbild der rechten Szene

Diese Rubrik informiert über das Erscheinungsbild von Mitgliedern der rechtsextremen Szene und über deren Organisation.

Sie erläutert:

  • Codes, Zahlenkombinationen und Symbole 
  • Kleidungsstile 
  • Musikpräferenzen 
  • Strukturen 
  • Subkulturen 

Die deutsche „Agentur für soziale Perspektiven“ betreibt mit der Homepage Das Versteckspiel ein Projekt, das die aktuellen Bedeutungen von rechtsextremen Symbolen ebenfalls dokumentiert und einen ausführlichen und aktualisierten Überblick bietet.

Zahlen

14

Steht für die 14-Words des US-amerikanischen Neonazis David Lane, eine Art rechtsextremes „Glaubensbekenntnis“, das aus 14 Wörtern besteht: „We must secure the existence of our people and a future for white children“ (Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für weisse Kinder sichern).

18

Steht für die Buchstaben A und H des lateinischen Alphabetes (den 1. und den 8. Buchstaben), die Initialen von „Adolf Hitler“.

28

Steht für die Buchstaben B und H des Alphabets, die Abkürzung für Blood & Honour (Blut und Ehre). Bei Blood & Honour handelt es sich um ein internationales Neonazinetzwerk, das in den 1980er-Jahren in Grossbritannien gegründet wurde.

38

Wird meist als Crew38 ausgeschrieben und steht für das Unterstützungsnetzwerk der Hammerskinheads. Eine Mitgliedschaft bei den Hammerskins ist nur nach mehrjähriger Aufnahmeprozedur möglich. 38 steht dabei als Abkürzung für „Crossed Hammers“ (Gekreuzte Hämmer) – das Logo der Hammerskins.

848

Steht für „Heil dir Helvetia“ und wird von Schweizer Rechtsextremist*innen gerne als Grussformel verwendet.

88

Steht für „Heil Hitler“ (H.H.) und ist wohl der bekannteste Zahlencode unter Neonazis.

Abkürzungen

HffH

Die Abkürzung „Hammerskins Forever – Forever Hammerskins“ (Hammerskins für immer – für immer Hammerskins) ist das Credo der Hammerskins. Ein Slogan, der sowohl Grussformel als auch Bekenntnis ist.

Rahowa

Das Akronym (aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter gebildetes Kurzwort) steht für „Racial Holy War“ (Heiliger Rassenkrieg). Dabei handelt es sich einerseits um eine Art völkischen Kreuzzug für die Vorherrschaft der weissen „Rasse“, anderseits um eine rechtsextreme Endzeitphantasie.

Q

QAnon (/kjuːəˈnɒn/) oder kurz Q nennt sich eine mutmaßlich US-amerikanische Person oder Gruppe, die seit 2017 Verschwörungsmythen verbreitet. Zentral ist die unbelegte Behauptung, eine einflussreiche, weltweit agierende, satanistische Elite entführe Kinder, halte sie gefangen, foltere und ermorde sie, um aus ihrem Blut eine Verjüngungsdroge zu gewinnen. Der abgewählte US-Präsident Donald J. Trump bekämpfe diese Elite und einen angeblichen „Tiefen Staat“ (Deep State).
Bei Protesten gegen staatliche Massnahmen zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie trugen machen Teilnehmer*innen das Q-Zeichen. Ihre Botschaft: Covid19 sei von geheimen Mächten gesteuert, um die Weltherrschaft zu erreichen.

Symbole

Hakenkreuz

Das Hakenkreuz – mit im Uhrzeigersinn gedrehten Balken – ist ein eindeutig neonazistisches Symbol und deshalb in Deutschland verboten. Das Hakenkreuz oder „Svastika“ war das Logo sowohl der deutschen NSDAP, als auch des Dritten Reiches. Es ist ein altes hinduistisches Sonnensymbol, welches – besonders in Indien – auch ausserhalb rechtsextremer Szenen nach wie vor verwendet wird.

Lambda

Der griechische Buchstabe Lambda war in der Antike das Symbol des spartanischen Stadtstaates (Lakedaimon). Er ist heute das Logo der identitären Bewegung, meist Gelb auf schwarzem Grund im gelben Kreis.

Das Zeichen gilt als Kampfsymbol der Krieger des antiken Spartas und soll an den Kampf der Spartaner gegen die Perser erinnern, von vielen Neuen Rechten als Kampf für die „europäisch-abendländische Kultur“ und wider „fremde Kulturen“ interpretiert.

Identitäre bemühen sich – wie andere Neue Rechte auch -, Anlehnungen an den historischen Nationalsozialismus zu vermeiden. Sie schöpfen bewusst aus dem Fundus modischer Pop-Kulturen. Sie bespielen die sozialen Medien und organisieren Aktionen, die bildwirksam medial aufgearbeitet können.

Internationale Beachtung fanden sie im Sommer 2017, als sie mit Aktion „Defend Europe“ (Verteidige Europa) mit einem gecharteren Schiff im Mittelmeer, Flüchtlingsboote abfangen und nach Afrika zurückführen wollten.

Reichsfahne

Die Reichsfahne (Schwarz-Weiss-Rot) war die Flagge des alten deutschen Kaiserreichs, zusammengebrochen nach Ende des 1. Weltkrieges. Sie war kurze Zeit die Fahne des Dritten Reiches, bis die Hakenkreuz-Fahne die einzige deutsche Nationalfahne wurde. Sie steht heute für autoritäre und antidemokratische Wertvorstellungen. Gelegentlich wird sie bei Kundgebungen mitgeführt und vor allem in Deutschland manchmal als Ersatz für die verbotene Hakenkreuzfahne verwendet.

Reichskreuz

Das Reichskreuz ist kein Symbol des historischen Nationalsozialismus, fand aber auch im Dritten Reich als Orden und Abzeichen – vor allem in der Wehrmacht – Verwendung. Weil in Deutschland heute viele andere rechtsextreme Symbole verboten sind, wird das Reichskreuz manchmal als Ersatz für nationalsozialistische Zeichen verwendet.

ssrunen

Die doppelten Sig-Runen waren das Logo der SS im Dritten Reich. Die SS war eine paramilitärische Organisation der NSDAP, die parallel zur Wehrmacht existierte. In ihren Aufgabenbereich fielen unter anderem der Kampf gegen Partisanenverbände, die „Säuberungen“ in den von den Nazis besetzten Gebieten und die „Bewachung und Führung“ der Konzentrations- und Vernichtungslager.

sstotenkopf

Der SS-Totenkopf war ursprünglich Teil der Uniformkennzeichnung der SS und wurde an der Mütze getragen. Darüber hinaus gab es die speziellen SS-Totenkopfverbände, die für die „Bewachung und Verwaltung“ der Konzentrationslager zuständig waren. Diese trugen den SS-Totenkopf neben der Mütze auch am Kragen.

schwarzesonne

Die schwarze Sonne – manchmal auch als zwölfarmiges Hakenkreuz bezeichnet – ist ein esoterisches Symbol, welches von der SS geschaffen und verwendet wurde. Es besteht aus zwölf radial angeordneten Sigrunen.

wolfsangel

Die Wolfsangel ist eine abgewandelte Rune, die eine stilisierte Wolfsfalle darstellen soll. Im Gegensatz zu vielen anderen von den Nazis verwendeten Runen ist der Wolfsangel kein Bestandteil des alten skandinavischen Runenalphabetes, sondern eine Neuschöpfung.

Slogans

Neben Symbolen aus dem historischen Nationalsozialismus werden durch heutige Rechtsextreme auch immer Sprüche aus dieser Zeit übernommen und in Botschaften oder auch als Tattoo’s verwendet. Die wichtigsten dieser Slogans sind:

jedemdasseine

«Jedem das Seine» (Inschrift über dem KZ-Buchenwald)

arbeitmachtfrei

«Arbeit macht frei» (Inschrift über dem KZ-Auschwitz)

meineehreheissttreue

«Meine Ehre heisst Treue» (Wahlspruch der SS)

blutundehre

«Blut und Ehre» (Motto der Hitlerjugend)

kraftdurchfreudevonWolfStegemann

«Kraft durch Freude» (Nationalsozialistische Organisation zur Freizeitgestaltung)

Mythologische Bezüge

triskele

Die Triskele ist ein uraltes mythologisches Symbol, bestehend aus drei Spiralen, welches vor allem in keltischen Kulturen eine hohe Bedeutung hatte.. Die Bedeutung des Symbols ist nicht genau geklärt, meist wird es als Symbol für den Weg des Lebens oder als Symbol für die Sonne interpretiert.

In seiner eckigen Form (auch als dreiarmiges Hakenkreuz bezeichnet) wird es vor allem in rechtsextremen Kreisen verwendet, etwa als Logo von „Blood & Honour“. Dieses ist in Deutschland verboten.

thorshammer

Der Thorshammer, ein stilisierter Hammer mit kurzem Stiel und breitem Kopf, stammt aus der nordischen Mythologie. Der Hammer soll Mjölnir, die Waffe des Gottes Thors darstellen und wird häufig als Halsschmuck verwendet. Er dient als Zeichen für einen heidnisch-germanischen Glauben. In der extremen Rechten soll er darüber hinaus die „Wehrhaftigkeit der nordisch-deutschen Rasse“ symbolisieren.

Runen

Runen sind ursprünglich die Buchstaben des germanischen und skandinavischen Alphabetes. Das ursprüngliche Runenalphabet wird oft auch als Futhark (nach den ersten Buchstaben im Alphabet) bezeichnet. Zusätzlich zu ihrer Funktion innerhalb eines Buchstabenalphabetes hatten Runen als einzelnes Symbol zusätzliche Bedeutung (so steht die S-Rune oder Sowilo einzeln auch als Zeichen für die Sonne).

Runen als solche sind nicht rechtsextrem und werden auch ausserhalb der extremen Rechten verwendet. Im historischen Nationalsozialismus wurden aber Runen sehr häufig als Logo oder Symbole (gerade in der NSDAP, der Wehrmacht und der SS) benutzt, abgewandelt und mit neuen Bedeutungen aufgeladen. Diese Vorliebe für die Verwendung von Runen ist auch in der heutigen extremen Rechten verbreitet.

Wichtige Runen:

othala

Othala (auch Odal-Rune): Die Othala-Rune bildet den Buchstaben O in Futhark und steht darüber hinaus als Symbol für Besitz oder Heimat. Sie diente als Logo für die Hitlerjugend während des Dritten Reiches. Auch wurde sie in Deutschland von der rechtsextremen Jugendorganisation „Wiking-Jugend“ verwendet und in diesem Kontext, zusammen mit der Organisation, verboten.

tiwaz

Tiwaz (auch Tyr-Rune): Die Tiwaz-Rune bildet den Buchstaben T in Futhark und steht darüber hinaus für den nordischen Gott Tyr, den Gott des Kampfes. Sie diente im Dritten Reich etwa als Abzeichen der „Reichsführerschulen“.

sowilo

Sowilo-Rune (auch Sig-Rune): Die Sowilo-Rune bildet das S in Futhark und steht darüber hinaus als Symbol für die Sonne. Im Dritten Reich wurde sie von der SS verwendet. Sie ist heute in Deutschland verboten.

Kleidung

In Subkulturen machen Kleidungsstil und das Tragen bestimmter Kleidermarken die Szene-Zughörigkeit deutlich. Die rechtsextreme Szene griff in den Anfangszeiten auf bestehende Marken zurück, zum Beispiel Lonsdale und DocMartins-Schuhe. Geschäfte von Szene-Leuten schufen dann eigene Marken, teils ausschliesslich als Geschäft, teils um den Erlös für Szene-Aktionen oder für politische Arbeit zu verwenden.

Lonsdale

Die Marke Lonsdale ist an sich keine rechtsextreme Marke. Sie war aber längere Zeit, insbesondere in den 1990er Jahren, bei neonazistischen Skinheads beliebt, da der Schriftzug Lonsdale die Buchstabenfolge „NSDA“ enthält und damit recht nahe an NSDAP herankommt. Die Firma liefert nicht mehr an rechtsextreme Szenegeschäfte und unterstützt antirassistische Projekte. Nun ist die Marke unter Rechtsextremen kaum noch beliebt.

Crew38

Die Crew38 ist das Umfeld-Netzwerk der Hammerskins und das Label dient der Organisation als Einnahmequelle.

Consdaple

Die Marke Consdaple wurde von einem deutschen Neonazi und NPD-Aktivisten aus Bayern gegründet. Er wollte der Marke Lonsdale ein szeneeigenes Label entgegenstellen. Sie enthält die Buchstabenfolge „NSDAP“.

Thor Steinar

Die Gründer der Marke Thor-Steinar bewegten sich in rechtsextremen Zusammenhängen. Sie gründeten die Marke 2002. Thor-Steinar-Aufdrucke enthalten Anspielungen auf die nordische Mythologie, die deutsche Kolonialzeit und den historischen Nationalsozialismus.

Seit etwa 2009 steht die Marke innerhalb der rechtsextremen Szene in der Kritik, auch weil damals eine Firma aus Dubai die Geschäftsleitung übernahm. In der Folge wurden weitere rechtsextreme Kleidermarken gegründet, welche an den Erfolg und das Design von Thor-Steinar anzuknüpfen versuchen (etwa Ansgar Aryan oder Erik&Sons). 

White Rex

Gegründet 2008 von Denis Kapustin, damals wohnhaft in Köln. Szenename: Nikitin. Die Marke betreibt Kampfsport-Promotion und unterstützt „Europäischen Stolz und traditionelle Werte“. Sie ruft Europäer*innen dazu auf, den „Kriegergeist der Vorfahren“ wieder anzunehmen, und gegen die „moderne Welt“ zu kämpfen. Die Marke wird seit 2018 von Lotzwil (BE) aus vertrieben.

Musik

Wie in anderen Subkulturen ist Musik bei den Neonazi-Skinheads sowohl Gemeinschaft und Erlebnis (Konzerte), auch vermittelt sie gesellschaftliche und politische Botschaften. Die Texte nennen die Feinde und Gegner*innen (Linke, People of Colour, Juden, Muslime, und andere) und beschwören die eigene Gemeinschaft. Auch die rechtsextreme Skinhead-Szene hört vorwiegend rockige Musik, meist als RAC oder Rechtsrock bezeichnet.

Auch in den Gothic-, Dark Wave- und Black Metal-Subkulturen bestehen Minderheiten, die rechtsextremistische Botschaften verbreiten. Viele Szene-Gänger*innen teilen diese Ansichten zwar nicht, aber nur wenige distanzieren sich öffentlich von ihnen.

Gothic- und DarkWave-Exponent*innen kritisieren bevorzugt die dekadente, moderne Gesellschaft, häufig verbunden mit einer martialischen Aesthetik (z.B.: Uniformfetisch).

RAC / Rechtsrock

Die Abkürzung steht für „Rock Against Communism“ (Rock gegen Kommunismus). Es ist eine der ältesten und am weitesten verbreiteten Bezeichnungen für rechtsextreme Musik und dient oftmals als Sammelbegriff. Sie sieht sich als Gegenpol zu linker Punkmusik. RAC ist heute auch ein Sammelbegriff  für verschiedene Formen rechtsextremer Musik.

Rechtsrock entstand ursprünglich aus der Skinheadmusik (besonders Oi!), umfasst heute jedoch alle Formen rockiger Musik, wobei in den Texten extrem rechte und völkische Positionen propagiert werden.

NSBM

Die Abkürzung steht für „National-Socialist-Black-Metal“ (Nationalsozialistischer Black-Metal).
Metal als Musikstil ist an sich nicht politisch festgelegt und unterteilt sich in Dutzende verschiedener Subgenres (z.B.: Black-Metal, Death-Metal, Speed-Metal, etc.). Nebst dem explizit rechtsextremen NSBM gibt es vor allem im heidnischen Flügel der Metal-Szene (vor allem im Pagan- oder Viking-Metal) einige Bands, die rechtsextreme Positionen vertreten.

NS-Hatecore

Ähnlich wie NSBM für Metal-Musik, ist NS-Hatecore ein explizit rechtsextremes Subgenre, diesmal für Musik aus dem Hardcore-Bereich. Hardcore ist ein Stil, der Ende der 1970er Jahre als radikalere und schnellere Weiterentwicklung des Punk-Rocks entstanden ist.

NS-Hip-Hop / NS-Rap

Hip-Hop als Musikstil geniesst in der extremen Rechten einen schlechten Ruf und wird meist herablassend als „schwarze-Musik“ verunglimpft. Da Hip-Hop bei Jugendlichen populär ist, versuchen einige Sänger/Projekte mit Hip-Hop, rechtsextreme Inhalte zu vermitteln. Bis anhin ist der Einfluss gering.

Strukturen

Rechtsextreme Zusammenschlüsse gibt es in verschiedenen Formen.

Internationale Netzwerke

Internationale Netzwerke sind lose organisierte Gruppierungen, die sich als Teil einer internationalen Bewegung sehen. Als verbindendes Element erachten sie die Zugehörigkeit zur „weissen Rasse“ und nicht die Staatsangehörigkeit.

Gefestigte Netzwerke bestehen seit Jahrzehnten in der kleinen Szene der Holocaust-Leugner*innen und in der Szene nationalsozialistischer Skinheads.

Seit Mitte der 1980er-Jahre geben innerhalb der internationalen Skinhead-Gruppierungen zwei Netzwerke den Ton an. Einerseits die Hammerskinheads, entstanden 1986 in Dallas/Texas, andererseits „Blood and Honour“ (Blut und Ehre), gegründet 1987 von Jan Stuart Danielson, Sänger der Band Skrewdriver.

Auch die Szene der Holocaustleugner*innen arbeitet in internationalen Netzwerken und kann sich auf mehrere Institute stützen, wie auch auf Verlage, die regelmässig holocaust-leugnende Literatur vertreiben.

Die ersten Schriften, die den Holocaust an den europäischen Juden bestritten oder stark verharmlosten, erschienen bereits wenige Jahre nach dem Krieg, verfasst zum Teil vom Westschweizer Gaston-Armand Amaudruz (1949) oder vom Franzosen Paul Rassinier, der die Zahl der Opfer verharmlosen wollte. Die Titel zweier Schriften prägten die öffentliche Wahrnehmung: „Die Auschwitz-Lüge“ und „Der Auschwitz-Mythos“.

In der Schweiz vernetzten sich Holocaust-Leugner*innen erstmals Anfang der 1990er-Jahre für den Abstimmungskampf (gegen die Strafnorm „Rassendiskriminierung). Schon mit dabei waren Jürgen Graf und Bernhard Schaub.

Graf entzog sich nach seiner Verurteilung wegen Leugnung des Holocausts dem Strafvollzug durch Flucht ins Ausland. Schaub vernetzte sich international und gehörte 2010 zu den Mitbegründern der „Europäischen Aktion“ EA, ein international agierender Zusammenschluss von Holocaust-Leugner*Innen, der  – unter der Führung Schaubs – ein nationalsozialistisches Europa anstrebte. Im Sommer 2017 verkündete die EA überraschend, sie habe sich aufgelöst. Anlass war – wie sich später herausstellte – die Verhaftung von EA-Exponenten, denen österreichische und deutsche Strafermittler die Vorbereitung terroristischer Aktivitäten vorwerfen. Ende Februar 2021 verurteilt das Wiener Landgericht vier von fünf Angeklagten wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung zu Freiheitsstrafen, zum grossen Teil auf Bewährung.

Kameradschaften

„Freie Kameradschaften“ sind meist kleine, lokale Gruppierungen mit informellen Strukturen. Entwickelt wurde das Konzept „Führungsloser Widerstand/Leaderless Resistance“ einerseits, um offen neonazistische Rechtsextreme ausserhalb rechtsextremer Parteien politisch organisieren zu können, andererseits als Schutz gegen staatliche Repression.

„Freie Kameradschaften“ waren in Deutschland lange Zeit die wichtigste Organisationsform der Rechtsextremen ausserhalb der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands NPD. In der Schweiz bestanden nur wenige Kameradschaften länger als 2 bis 3 Jahre. So die Innerschweizer „Kameradschaft Morgenstern“, gegründet 1993, welche den Hammerskins nahesteht und die 2012 in der Ostschweiz gegründete „Kameradschaft Heimattreu“, die mittlerweile zum Umfeld von Blood & Honour gehört.

Parteien

Parteien sind die bekannteste politische Organisationsform, auch bei den Rechtsextremen. Die Partei National Orientierter Schweizer PNOS, gegründet im Herbst 2000, ist in der Schweiz die einzige, zu Beginn offene, neonazistische Partei, der es nach 1945 gelang, sich erfolgreich an Wahlen zu beteiligen. Andere Parteigründungen verschwanden jeweils bald wieder von der Bildfläche. Die Partei beteiligte sich wiederholt an Wahlen und erreichte zweimal einen Parlamentssitz in Langenthal, sowie einen Sitz in der Gemeinderegierung von Günsberg/Kanton Solothurn.

Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten einige ehemalige Fröntler wieder parteipolitisch aktiv zu werden. Einigen taten dies bei bürgerlichen Parteien. In den 1960er-Jahren machten mehrere ehemalige Frontisten Karriere in der Nationalen Aktion NA, die als nationalistische „Überfremdungspartei“ auftrat. NA-Exponenten traten bei Veranstaltungen deutscher Rechtsextremisten auf. Im Herbst 1987 attestierte das Bundesgericht der Partei, dass sie „braune Flecken“ auf ihrer Weste habe. Die NA änderte daraufhin ihren Namen in „Schweizer Demokraten“ SD.

Beide Parteien sind in der Schweiz zurzeit kaum von Bedeutung und verfügen über keine Mandate in einem Parlament. Die SVP verdrängte nach 1991 andere Rechtsparteien, unter anderem weil Exponent*innen der Schweizer Demokraten oder der Freiheitpartei (einst Autopartei) zur SVP übertraten.

Kulturelle Organisationen

Es gibt – neben den Parteien – auch rechtsextremistische Organisationen, die rassistische oder menschenfeindliche Vorstellungen bewahren und verbreiten wollen, sei es durch die Pflege heidnischer oder germanischer Traditionen, seien es Buch- oder Tonträger-Vertriebe, die damit aus dem Ausland eingeführte Werke leichter zugänglich machen.

In der Deutschschweiz strebt die Avalon-Gemeinschaft, gegründet 1990, die Vernetzung des rechten Milieus an. In den 1990er-Jahren trafen sich an den regelmässigen Veranstaltungen sowohl NA-Politiker, Naziskins wie alte Nationalsozialisten. Die Gemeinschaft lud bis in die 2010er-Jahre alte Männer der „Erlebnisgeneration“ zu Vorträgen, einige Male auch Holocaust-Leugner. Die Gemeinschaft ist aktuell immer noch aktiv.

In der Westschweiz pflegen mehrere Cercle d’Amis (Freundeskreise) die Erinnerung an Fröntler oder Faschisten der 1930er/1940er-Jahre. International tätig ist die Vereinigung der Freunde Robert Brasillachs (L’association des Amis de Robert Brasillach), geleitet vom Genfer Anwalt Pascal Junod. (Brasillach ist ein französischer Schriftsteller, der während des 2. Weltkrieges mit den nazideutschen Besatzern zusammenarbeitete und französische Juden denunzierte. Er wurde nach dem Krieg zum Tode verurteilt und hingerichtet.)

Rechtsextreme und Waffen

Rechtsextremist*innen sind davon überzeugt, dass es zur menschlichen Natur gehöre und damit auch legitim sei, Konflikte mit Gewalt auszutragen. Auch fürchten viele von ihnen, dass bald – als Folge ethnisch-vielfältiger Gesellschaften – die staatliche Ordnung in westlichen Ländern zusammenbrechen werde und sie folglich sich darauf vorzubereiten hätten, unter anderem durch die Anschaffung von Waffen. Bei Hausdurchsuchungen im rechtsextremen Milieu finden Polizst*innen denn auch häufig beachtliche Mengen von Schiess- und Stichwaffen.

Einige rechtsextreme Gruppen trafen sich in den letzten Jahren zum Training, verbunden mit Kampfsportübungen; die Schweiz galt vor allem in den frühen 2000er Jahren als attraktiver Ort für solche Treffen. Es gibt in der Schweiz aktuell jedoch weder übergreifende Strukturen, regelmässige paramilitärische Manöver noch Schiessübungen, die öffentlich bekannt wurden.

Rechtsextreme und Kampfsport

In den letzten Jahren entstand im Kampfsport – vor allem bei Mixed-Martial-Arts (MMA) –  eine rechtsextreme Strömung. Rechtsextremist*innen trainieren in Kraftsportstudios, teilweise von Szene-Angehörigen betrieben, besuchen Kampfsportevents, an denen bekannte Rechtsextremisten als Kämpfer auftreten. Auch betreiben Rechtsextreme eigene Labels, bieten eigene Kampfsportausrüstung an, organisieren Events und betreiben eigene Trainingsgruppen. Solche Veranstaltungen – gelegentlich verbunden mit Rechtsrockkonzerten – gehören aktuell zu den grössten rechtsextremen Grossevents. Sie ermöglichen Besucher*innen sich zu vernetzen und stellen eine Einnahmequelle für die rechtsextreme Szene dar.

Rechtsextreme und Verschwörungserzählungen

Verschwörungsvorstellungen wenden sich seit der Aufklärung und der Französischen Revolution gegen die Verbreiter*innen liberaler Vorstellungen. Ins Visier der Verteidiger*innen ständischer Ordnung – gestützt von der katholischen Kirche – gerieten zuerst die Freimaurer und die Illuminati, nach ihrer erreichten Emanzipation auch die Juden. Die faschistischen Bewegungen der 1920er/1930er-Jahre verknüpften diese Vorstellungen mit dem Kampf gegen die Linke. Die neueste Erzählung, Q-Anon genannt, verbreitete sich nach dem Machtantritt von US-Präsident Donald Trump.

Subkulturen

Subkulturen sind gesellschaftliche Bewegungen, die häufig von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gebildet werden und die sich durch Gemeinsamkeiten (wie Lebensstil, Kleidung, Musik, etc.) definieren und sich damit von der restlichen Gesellschaft abgrenzen. In rechtsextremen Subkulturen ist die politische Überzeugung ein wesentliches Merkmal.

Angehörige der extremen Rechten sind mehreren Subkulturen präsent, die traditionelle Rollenbilder, antimoderne Ansichten, eine erhöhte Gewaltbereitschaft oder einen ausgeprägten (Lokal-)patriotismus pflegen. Wenn eine solche „Szene“ versucht, sich als unpolitisch darzustellen (etwa indem politische Auseinandersetzungen aktiv vermieden werden), steigert sie die Attraktivität für Rechtsextreme und wird so zu einer rechtsoffenen Subkultur.

Skinheads

Die Skinhead-Bewegung ist eine Subkultur, die Ende der 1960er Jahre in Grossbritannien entstand und hauptsächlich junge Männer aus der Arbeiterschicht anzog. Gemeinsamkeiten waren Kleidung (wie schwere Stiefel und Jeans), Auftreten (kurze Haare und Tattoo’s) und Lebensstil (Vorliebe für Bier und Fussball). Sie hörten bevorzugt die Musik karibischer Einwanderer, insbesondere Ska. Abgesehen vom Stolz auf die Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse war die Subkultur nicht politisch, wenn auch gewaltbereit. Anfang der 1980er-Jahre versuchten rechtsextreme Parteien wie die British National Front in den Fussballstadien erfolgreich Mitglieder zu werben. Unter anderem Ian Stuart Donaldson, den Sänger der damaligen Punk-Band „Skrewdriver“. Er verknüpfte den Skinhead-Lifestyle mit rechtsextremer Politik und gründete das Netzwerk „Blood & Honour“.

Auch heute gibt es innerhalb der Skinhead-Bewegung neben der rechtsextremem andere Strömungen: traditionelle oder „Trojan“ Skinheads, Oi!-Skins, die sich beide als apolitisch verstehen. Aber auch antirassistische Skinheads wie SHARP (Skinheads against racial prejudices – Skinheads gegegen rassistische Vorurteile) oder die Redskins oder RASH (Red and anarchist skinheads – dt. rote und anarchistische Skinheads) gehören dazu.

In der Schweiz tauchten rechtsextreme Skinheads erstmals Anfang der 1980er-Jahre auf, zuerst in Fussballstadien. Rund dreissig Jahre bildete diese Subkultur das gesellschaftliche Rückgrat rechtsextremer Gruppen und Organisationen.

Identitäre

Die „Identitären“ sind eine neue rechtsextreme Strömung. Sie entstand nach der Jahrtausendwende in Frankreich. In der Schweiz organisierten sich Identitäre erstmals in der Region Leman, bereits um das Jahr 2005. Der Genfer Jean-David Cattin gehört heute zu den einflussreichsten Identitären Frankreichs. In der Deutschschweiz hingegen konnten die Identitären bisher nicht wirklich Fuss fassen.

Identitäre stehen in der Tradition der Neuen Rechten. Sie streben ethnisch-geschlossenen Gesellschaften an. Sie wollen die „europäische christlich-abendländische Identität“ verteidigen, gegen nicht-europäischen Einwander*innen und gegen Muslim*innen.

Blood & Honour

Ian Stuart Donaldson (ISD), Sänger der einstigen Punk-Band Skrewdriver, gründete – zusammen mit einem Freund – die Organisation «Blood & Honour» als „unabhängige Stimme des Rocks gegen Kommunismus“. Diese Organisation gab eine Zeitschrift heraus, produzierte Rechtsrock-Tonträger, organisierte Konzerte und sie vertrieb Szene-Artikel.
Blood & Honour hatte bald „Divisionen“ in Schweden, den Vereinigten Staaten von Amerika und den übrigen Ländern Europas, insgesamt über 25. In Deutschland ist Blood and Honour seit 2000 verboten.

Im Blood & Honour-Umfeld entstand die terroristische Organisation „Combat 18“, die Anschläge unter anderem in Grossbritannien und Schweden verübte.

Schweizer Skinheads gründeten 1997/1998 eine Schweizer Division, zuerst in der Deutschschweiz, dann in der Romandie, dort wechselten die Westschweizer Hammerskinheads zu Blood & Honour.

Ian Stuart starb Ende September 1993 bei einem Verkehrsunfall. Seit vielen Jahren veranstalten Blood & Honour-Sektionen jeweils Mitte/Ende September „Ian-Stuart-Gedenkkonzerte“ (ISD-Memorials), auch in der Schweiz (so in Brig/Glis 2005 und 2013 in Ebnat-Kappel). Der letzte grössere Anlass in der Schweiz war das „Rocktoberfest“ 2016 in Unterwasser (SG).

Hammerskins/ Crew 38

Die Hammerskins wurden im Jahr 1987 in der Umgebung der amerikanischen Stadt Dallas (Texas) als rechtsextreme Skinhead-Organisation gegründet. Sie verstehen sich als „Brotherhood“ (Bruderschaft). Sie vertreten die Ideologie „White Area for White People“ (weisse Gebiete für weisse Menschen) und sind Teil der „White Pride-Bewegung“ (Weisser Stolz).

 Sie verstehen sich seit Beginn als Elite unter den rechtsextremen Skinheads. Die Organisation ist in verschiedene Sektionen (Chapter) aufgeteilt. Ähnlich wie bei vielen Rockergruppen müssen Interessierte zuerst eine Probezeit bestehen, damit sie als Mitglied aufgenommen werde. Sie müssen einen mehrstufigen Prozess durchlaufen, der von „Bewerber*in“ (Hangaround) über Anwärter*in“ (Prospect), hin zu „vollwertigem Mitglied“ (Brother/Sister) geht und mehrere Jahre dauert. Das Hammerskin-Abzeichen darf nur von Mitgliedern getragen werden, offen für alle Anfragenden ist die Crew 38, das Unterstützer*innen-Netzwerk der Hammerskins.

Das Logo der Hammerskins besteht aus zwei gekreuzten Hämmern. Die Hammerskin-Bewegung verbreitete sich von Dallas/Texas aus zuerst auf dem nordamerikanischen Kontinent, dann auch in Europa, Australien und Südamrika. Sie ist hierarchisch organisiert und nicht alle Interessierten werden aufgenommen. Die Schweizer Chapter, gegründet 1990/1991, war die erste Sektion in Europa.

Vorfälle in der Schweiz

Verschiedene Fachexpert*innen und Fachstellen dokumentieren rechtsextreme Vorfälle und Szenen in der Schweiz:

www.antira.org
Die Site antira.org, betrieben gemäss Eigeneinschätzung von einem „Zusammenhang von herrschaftskritischen Antirassist*innen in der Deutschschweiz“, berichtet über aktuelle Ereignisse und Entwicklungen zu den Themen Rassismus und Rechtsextremismus in der Schweiz. Sie veröffentlicht täglich einen aktuellen Medienspiegel.

www.hans-stutz.ch
Auf seiner Homepage veröffentlicht der Journalist Hans Stutz Meldungen und Einschätzungen über Ereignisse und Vorfälle im Zusammenhang mit dem Rechtsextremismus und Rassismus in der Schweiz.

www.gra.ch
Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) informiert in der Rubrik „Chronologie“ über sämtliche seit 1992 in der Schweiz gemeldeten Vorfälle im Bereich Rassismus und Rechtsextremismus.

www.antifa.ch
Die Antifaschistische Aktion Bern liefert eine breite Übersicht über die aktuelle Szene in der Schweiz. Auch über Twitter: https://twitter.com/antifa_bern

www.admin.ch
Die Fachstelle für Rassismusbekämpfung veröffentlicht regelmässig einen Bericht zur Übersicht und zu Handlungsfeldern im Bereich der rassistischen Diskriminierung in der Schweiz. Der Bericht liefert unter anderem Informationen über die aktuelle Lage von Rechtsextremismus und kann auf der Homepage der FRB heruntergeladen oder dort bestellt werden.